Samstag, 2. Juli 2011

Unterscheidung der Geister

(Die „Geister“ in der Bibel

Auch die Heilige Schrift kennt das Wirken des Geistes Gottes und des Ungeistes. Paulus zählt
als Auswirkungen des Heiligen Geistes auf: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit,
Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Dagegen führt der Ungeist zu Unzucht,
Unsittlichkeit, ausschweifendem Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit,
Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und
Essgelagen (Gal 5,19-23). Johannes fordert seine Briefadressaten auf: „Traut nicht jedem
Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.“ (1 Joh 4,1) Anscheinend ist nicht soleicht zu erkennen, wohin wir getrieben werden, wohin ein „Geist“ wirklich führt. Wes Geistes Kind bin ich?

Grundlage: die zwei Wege – denn einen dritten gibt es nicht

Von den Anfängen der Mythen und Märchen bis hin zu den „Krieg der Sterne“-Filmen
scheint es ein Gespür im Menschen dafür zu geben, dass es bei aller Vielfalt der
Möglichkeiten letztlich und eigentlich nur zwei Wege gibt: den zum Guten und den zum
Bösen. So beginnt das Buch der Psalmen mit dem „Weg der Gerechten“ und dem „Weg der
Frevler“ (Ps 1). Der Mensch mag bei seiner Entscheidung für den einen oder anderen Weg in
seiner Einsicht und seiner Freiheit eingeschränkt sein – er muss sich dennoch entscheiden.
Auch für Ignatius gibt es letztlich nur diese beiden Möglichkeiten: entweder richtet sich ein
Mensch in seinem Leben grundsätzlich auf Gott hin aus oder er wendet sich von Gott ab.
Diese Grundoption, wie bewusst oder unbewusst auch immer sie sein mag, lässt die „Geister“
entsprechend handeln.)

Das Vokabular des hl. Ignatius: „Trost“ und „Misstrost“

Durch die Grundentscheidung des Menschen ist das Herz, der innere Kern des Menschen,
ähnlich einem Instrument, entsprechend „gestimmt“. Geht eine Anregung von außen oder
innen, ein Impuls, eine Tat usw. in die gleiche Richtung wie die Grundentscheidung, wird das
als Gleichklang empfunden, als Freude, als Ermunterung, als Identitätsgefühl, als „Trost“.
Widerspricht etwas der Grundoption, wird dies als Missklang empfunden, als Trauer, als
Unruhe, als Frustration, als „Misstrost“.

Wenn nun unser Leben auf Gott ausgerichtet ist, dann bringt uns ein „guter“ Geist Friede,
Freude und Ruhe, ein „böser“ Geist aber Beunruhigung, Niedergeschlagenheit und inneren
Aufruhr (er bürstet gegen den Strich). Wenn unser Leben Bösem zugewendet ist, erfreuen und
„trösten“ uns negative, böse und destruktive Gefühle, Taten und Entscheidungen, während
positive, gute und konstruktive Elemente in uns und von außerhalb mit Gewissensbissen
beunruhigen.

Was mache ich damit? – Hinweise des Ignatius

Auf der Basis dieser grundlegenden Einsicht in die Wirkweise der Geister, und wie sie mit
Hilfe von Trost und Misstrost unterschieden werden können, hat Ignatius eine Reihe von
praktischen Tipps und Hinweisen entwickelt:

- Achte auf die Richtung! Trost und Misstrost sind komplexer, als es zunächst aussieht. Die
Grundfrage lautet: Führt mich etwas zu mehr Glauben, Hoffnung und Liebe? Wenn ja,
dann darf ich mich diesem Strom anvertrauen. Werde ich ängstlicher, verzweifelter oder
härter, dann ist Skepsis angesagt.

- In Zeiten des Misstrostes triff keine neue Entscheidung, und ändere frühere, in einer guten
Zeit (Trost) getroffene, nicht. Es geht darum, mich nicht gleich verunsichern zu lassen.
Was ich tun kann: gegensteuern, dagegen halten, aber nicht mit der Brechstange, sondern
mit liebevoller Beharrlichkeit. Wenn ich mich am liebsten ständig zurückziehen würde,
könnte ich versuchen, bewusst auf Menschen zuzugehen. Wenn ich am liebsten das Gebet
bleiben lassen möchte, mich dazu aufraffen. Wenn es mir halbwegs gelingt, die
Ausrichtung meines Herzens auf Gott zu halten, auch wenn ich nichts von Gottes Nähe
„spüre“ und so vieles andere dazwischen tritt, dann wird Gott mich auch durch meine
innere Leere führen.

- In Zeiten des Trostes danke ehrlich, und bitte um Kraft für Zeiten des Misstrostes! Eine
Gefahr besteht darin, dass ich alles Gelingen mir allein zuschreibe, hochmütig werde (und
Hochmut kommt bekantlich vor dem Fall). Anders ist es, wenn ich dafür danke, was ich
durch Gottes Hilfe und Kraft alles erreicht habe: dann bleibe ich auf Gott ausgerichtet.
Diese Erfahrung des Trostes enthüllt eine tiefere Wahrheit: dass Gottes Güte und Treue
uns immer umfasst und wir daraus leben. Lass diese Wahrheit zum Hoffnungsanker für
dich werden, vor allem für schwierigere Zeiten.

- Es ist charakteristisch für Gott, echte innere Zufriedenheit und geistliche Freude zu
geben, Niedergeschlagenheit und Beunruhigung zu bannen. Es ist charakteristisch für den
destruktiven Geist, uns dazu zu führen, dieser Zufriedenheit und dieser Freude durch
falsche und subtile Argumente zu misstrauen. Achte also auf den „Nachgeschmack“ und
vertraue dieser Botschaft.

- Auch in eine Sache, die einen guten Beginn hat, kann sich mit der Zeit Schlechtes
einschleichen. Wir merken dies daran, dass Unruhe, Frustration, Misstrost immer mehr
zunehmen.

- Sei ehrlich zu dir! Ich muss nicht sehenden Auges in Situationen und Bereiche gehen, wo
ich weiß, dass ich schwach bin. Meine Selbsterkenntnis kann ich nüchtern für das Gute
nutzen.

- Vertraue dich einem klugen Menschen an! Schon durch das Erzählen merke ich, wo ich
vielleicht meiner blühenden Phantasie erlegen bin und wie der innere Druck nachlässt.
Oder mein Gegenüber kann mich auf blinde Flecken aufmerksam machen. Gott begegnet
mir auch in meinem Nächsten und gibt mir Hinweise. Natürlich muss es jemand sein, dem
ich ganz vertrauen kann (meine beste Freundin, ein geistlicher Begleiter...).

Zwei ergänzende Hinweise

Wenn von Trost und Misstrost gesprochen wird, dann wird das manchmal als Beschreibung
der momentanen Gefühlslage und Befindlichkeit verstanden. Bin ich jetzt froh? Bin ich jetzt
von Freude erfüllt? Bin ich jetzt in Frieden mit mir selbst? Oder aber: Bin ich jetzt von Unlust
erfüllt? Bin ich jetzt traurig oder frustriert? Das ist aber nicht gemeint. Sondern es geht um
den Nachgeschmack, darum, wie mich bestimmte Taten oder Vorhaben bzw. Vorstellungen
zurücklassen.

Zugefügtes Unrecht, Verletzungen, Leid usw. belasten, behindern die Entfaltung von Leben,
zerstören es manchmal sogar. Misstrost im ignatianischen Sinn ist damit aber nicht identisch.
Trost und Misstrost kommen ins Spiel bei der Frage, wie ich mit einer solchen Situation
umgehe: es kann sich beispielsweise zeigen, dass sich Trost einstellt, wenn ich gegen das
Unrecht angehe. In einer anderen Situation kann sich Trost einstellen, wenn ich verzeihe. In
einer dritten Situation kann sich Misstrost einstellen, wenn ich immer nachgebe. In einer
vierten, wenn ich meine Ablehnung (meinen Hass?) pflege. Trost und Misstrost sind in
belastenden (bösen) Situationen eine Hilfe, um zu erkennen, WIE ich – mir und Gott
entsprechend – mit dieser Situation umgehe. Das gilt natürlich auch für gute, positive
Situationen – und die Beispiele wollen zeigen, dass sich mithilfe dieses Instruments eine
individuelle Antwort ergibt (passend für die Person, um die es geht, und für die Umstände).
© Österreichische Provinz der Gesellschaft Jesu

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