Sonntag, 25. September 2011

Die leibhaftige Kirche 3

...Die Kirche muss all diesem wachsenden Druck, der unabsehbar steigerungsfähigen Drohung einer auf Erden niemals zu beschwichtigen, niemals abzulenkenden Feindschaft gewachsen sein - wunderst du dich, wenn sie uns manchmal durch ihre Härte erschreckt und wenn sie uns mitunter in wichtigen Dingen ungebührlich konservativ erscheint?...

Selbstverständlich ergibt sich daraus auch Gefahr - von innen und von außen...Gefahr von außen! - dass andere Dinge, weltliche zeitbedingte, vorallem solche, deren Zeit wirklich vorüber sind, sich anklammern an die bewährte Dauerhaftigkeit dieses Felsens und dann mit ihm verwechselt werden: Regierungsformen, Gesellschaftsformen, die Stände, die ein Interesse am beharren haben, ohne es selbst noch rechtfertigen und leisten zu können - Denkformen,wissenschaftliche und pseudowissenschaftliche Theorien, pädagogische Methoden, überholte Welt und Menschenbilder.


Gefahr auch, wenn amtstragende Vertreter der Kirche sich aus rein weltlichen Gründen an jene "konservativen" Kreise und Institutionen klammern, nur ihnen vertrauen, nur sie fördern wollen, wenn sie zu jeder Schmeichelei und Konzession bereit sind, um sich den Einfluss und noch vorhandene Machtmittel ihrer Verbündeten zu sichern - das hat in den letzten 150 Jahren (ab 1950) genug an schweren Fehlwirkungen ergeben...

Die Geschichtlichkeit der Kirche bedeutet auch nach innen Gefahr und Versuchung - die große folgenschwere Versuchung, über dem "Felscharakter" ihre andere Seite, die Saat", das"Senfkorn" zu vergessen.Das bedeutet, ddass Gläubige nur allzuleicht Stunden der Krise, der Wandlung, des gebotenen Abschieds von Altgewohntem, des befohlenen Sprunges ins Ungewisse übersehen, oder ableugnen und sich dem Wagnis verweigern. Es bedeutet, dass Treue zum Althergebrachten zum Vorwand fürjegliche Kleinigkeit und Enge und Trägheit umgedeutet wird, zum Mißtrauen gegen alles Neue und Junge und Ungewohnte; dass jedes Ändernwollen als Frevel beurteilt, alles Gewordene verabsolutiert und wie eine unmittelbare Schöpfung des heiligen Geistes verteidigt wird...

...Dem Materialismus der Tradition, von dem wir gerade sprachen, der auch ein Grundbalken zum Thron des "Satan inmitten der Gemeinde" ist, steht die ungeduldige Verwerfung der Tradition als solcher gegenüber, die hochmütige Anmaßung der "Neuerer", die selbst das kommende Gesicht der Kirche und seine Stunde zu bestimmen glauben.
"Mit Tränen in der Stimme, wenn nicht in den Augen" hörte P. Ryder den greisen Newman wieder und wieder sagen, die Wurzelsünde aller Häresie bestehe in der Ungeduld - der Ungeduld, welche Gottes Werk eigenmächtig zu vollbringen versessen ist und es darum verhindert oder zerstört...

...Darum darf der leidenschaftlichste Reformeifer sich in derder Kirche verankert und beheimatet wissen und niemals, niemals ist er unabänderlich gezwungen, seinen Standpunkt ausserhalb ihrer zu suchen. Wenn er nicht aus Zorn, Bitterkeit, Hochmut und Ungeduld stammt, nicht aufsässig und plötzlich wirken will, sondern in Einklang mit der wahren Tradition, in Verantwortung, in Geduld, dann darf er sich als Werkzeug und Diener der lebendigen Kirche selbst verstehen. Dann steht er in Verantwortung gegen die Führenden  wie gegen die Schwachen.

Lies einmal den bedeutenden Aufsatz von Robert Grosche: "Heilige und Ketzer", der sehr schön und einleuchend darstellt, wie beide stets in der Sturmstunde der Kirche auftauchen, oft beide vom gleichen Anliegen beseelt - aber der einewill das Werk der Reform mit der Kirche tun, der andere gegen sie.
Die Geschichte der Heiligen ist geradezu die Geschichte der innerkirchlichen Reform - auch darum ist sie so aufregend, weil wir förmlich mit Augen sehen, wie der heilige Geist immer wieder in Krisenstunden eingreift, wie Er durch die Ihm gehorsam Hingegebenen Türen öffnet und Mauern umwirft und neue Quellen aufspringen lässt. Die heiligen sind gleichsam Organe der permanenten Wiedergeburt.

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