Heute ist ja schon Dienstag und ich will euch nicht zu sehr auf die Folter spannen.
Das erste Kapitel des Lukasevangeliums, das die Verheißungen der Geburt Johannes des Täufers und Jesu Christi in bewusster Parallelität beschreibt, ist ein liturgisch, spirituell, exegetisch und theologiegeschichtlich hoch bedeutsamer und interessanter Text, der einige Kerngedanken des Evangelisten Lukas in exemplarischer Weise wiedergibt.
So weist die „Jerusalemer Bibel“ in ihrem Kommentar darauf hin, dass die Gestalt des Heiligen Geistes schon hier in der Bedeutung auftaucht, die ihm im gesamten „lukanischen Doppelwerk“ (Lukasevangelium und Apostelgeschichte) zukommt: als direkte Gabe Gottes, die nicht (nur) eine Heiligung des Menschen meint, damit dieser die göttliche Gnade erkennen, empfangen und daraus handeln kann, sondern die vielmehr eine geradezu selbstständig handelnde Kraft ist, eine prophetische Gabe, die die Heils- und Kirchengeschichte unmittelbar beeinflusst, nicht selten durch wunderbare, die Naturgesetze sprengende Zeichen. In diesem Sinne ist laut V.15 Johannes „schon im Mutterleib vom Heiligen Geist erfüllt“, in diesem Sinne „überschattet“ der Heilige Geist Maria in ganz unmittelbarer Weise (V.35) – ein Wort, das die Gegenwart Gottes im Alten Testament in Erinnerung ruft, vgl. Ex 13,22ff; 19,16ff; 24,16ff, und das an die schützende und schöpferische Macht Gottes anlehnt, vgl. Ps 17,8; Gen 1,2 –, in diesem Sinne sprechen Elisabeth, Maria und Zacharias hier (VV.41.67) und viele, viele Menschen in Lk und Apg.
Das ersten beiden Kapitel des Lukasevangeliums stehen in einer interessanten Spannung zwischen der Furcht Gottes einer- und der (darauf bezogenen) Freude am Herrn andererseits, vgl. Furcht und Freude des Zacharias in 1,12.14; dann das „Sei gegrüßt, du Begnadete“ des Engels an Maria (1,28), das wörtlich übersetzt „Freue dich“ bedeutet, in Kombination mit dem Erschrecken Mariens 1,29; schließlich die Freude der Verwandten Elisabeths 1,58, und das Erschrecken angesichts der Heilung des Zacharias 1,65. Ein regelrechtes „Lieblingswort“ des Lukas ist das von der „Frohbotschaft“, das allein im Evangelium zehnmal und in der Apostelgeschichte sogar fünfzehnmal vorkommt, meist mit Bezug auf das „Evangelium“ (das ist die wörtliche Übersetzung von „Frohbotschaft“) vom kommenden Gottesreich.
Stark ist die Bezugnahme der beiden Hauptgestalten Johannes und Jesus auf alttestamentliche Vorbilder und Verheißungen. Dass Johannes laut V.15 keine berauschenden Getränke zu sich nehmen wird, erinnert deutlich an die Texte über das Nasiräat, vgl. Num 6,1ff, exemplarisch in der Erzählung über Geburt und Leben des Richters Simson, vgl. Ri 13,1ff; die Bezugnahme auf den Propheten Elija (V.17) geht auf die Weissagung in Mal 3,23 zurück, nach der die Rückkehr Elijas der messianischen Zeit vorausgehen und sie vorbereiten würde. Die Verkündigung der Geburt Jesu nimmt dann auch Bezug auf eine Reihe von messianischen Verheißungen und Hoheitstiteln, vgl. z. B. Jes 7,14ff; 2 Sam 7,1ff; Jes 9,6; Dan 7,14.
Das Verlangen des Zacharias nach einem Zeichen zur Bestätigung der Engelsbotschaft V.18 ist in der biblischen Tradition nichts ungewöhnliches, vgl. Gen 15,8; Ri 6,17; Jes 7,11; 38,7, und so reagiert auch Maria V.34; Zacharias aber bleibt offensichtlich bei seinem Zweifel, vgl. V.20, und geht daraufhin vorübergehend seiner Sprache verlustig.
In liturgischer Hinsicht ist das erste Kapitel des Lukasevangeliums geradezu einzigartig, denn gleich zwei weltberühmte „Cantica“ (Loblieder) des kirchlichen Stundengebetes entstammen ihm: das „Magnificat“ der Gottesmutter (VV.46-55), das den Höhepunkt des abendlichen Vespergottesdienstes, und das „Benedictus“ des Zacharias (VV.68-79), das den Höhepunkt der morgendlichen Laudes bildet – so benannt nach dem jeweiligen Beginn des Textes in der lateinischen Vulgata-Fassung. Beide Lobgesänge sind stark prophetisch „aufgeladen“, bildreich und zu Recht immer wieder Gegenstand eigener Untersuchungen und Meditationen.
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