Montag, 16. April 2012

Die Sintflut Einleitung


(Gen 6,5-9,17) 


Der biblische Bericht über die Sintflut gehört sicher zu den bekanntesten alttestamentlichen Texten, auf den allerdings exemplarisch zutrifft, was man für viele biblische Erzählungen sagen kann: geschichtswissenschaftlich missverstanden, ist er nicht mehr als eine Art Märchengeschichte; aus dem Zusammenhang der gesamten Bibel und der Heilsgeschichte mit dem Christusereignis als Höhepunkt gerissen, bleibt er rätselhaft und auch theologisch fragwürdig.

So ist es sehr wichtig, den historischen Hintergrund des Sintflutberichtes zunächst in Verbindung zu setzen zu dem, was die biblischen Autoren theologisch ausdrücken wollen: Mehrere babylonische, also außerbiblische Sintflutschilderungen zeigen, dass eine Überschwemmung katastrophalen Ausmaßes im Tal des Euphrat und Tigris historisch wahrscheinlich sind, aber nur der biblische Schriftsteller setzt dieses Naturereignis in Bezug zu einer ewiggültigen Lehre über die Gerechtigkeit und das Erbarmen Gottes, über die Bosheit des Menschen und das dem Gerechten gewährte Heil – vgl. Hebr 11,7, wo diese theologische Dimension des „Gerechten“ Noah aufgenommen wird. Die Sintflutschilderung weist also starke Ähnlichkeiten mit den Schöpfungsberichten auf: Sie hat verschiedene Quellen (eine „jahwistische“ und eine „priesterschriftliche“) und will keine Aussagen im Sinne eines modernen empirisch-naturwissenschaftlichen Weltverständnisses machen – man beachte das Weltbild, das in Gen 7,11 zum Ausdruck kommt. Vielmehr steht sie im Kontext der biblischen Heilsgeschichte zwischen den Polen Schöpfung – Sündenfall – Erlösung – Vollendung. Dementsprechend wird das Holz der Arche von den Kirchenvätern hingedeutet auf das Holz des Kreuzes: „arca mundo naufrago“ – „Du, die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt“; das Wasser der Sintflut wird in der Taufliturgie ganz explizit in Beziehung gesetzt zum Wasser der Taufe; die Evangelien sehen die Sintflut als Vorausdeutung des endzeitlichen Gottesgerichts, vgl. Lk 17,26f und Mt 24,37f. So ist der Sintflutbericht zuallererst als eine alttestamentliche Hinführung zum christlichen Erlösungsglauben zu verstehen: Nicht Einzelfragen nach der historischen „Haltbarkeit“ des Berichtes oder nach dem Zusammenhang von Naturkatastrophen und menschlichem Fehlverhalten stehen im Mittelpunkt, sondern die Vorbereitung der Wiederversöhnung zwischen Gott und Mensch nach dem Sündenfall, die in Tod und Auferstehung Jesu bewirkt wird.

Diese Wiederversöhnung leuchtet im Sintflutbericht in dem starken und immer wiederkehrenden Bild des (einen!) Bundes auf, den Gott mit den Menschen schließt. Für den insgesamt vierfach entfalteten biblischen Bundesschluss ist es charakteristisch, dass es sich nicht um ein bilaterales Vertragswerk handelt, sondern um eine „Selbstverpflichtung“ Gottes dem Menschen gegenüber aus reiner Gnade. Er entwickelt sich jedoch in seiner Ausdehnung: der erstmals mit Noah geschlossene Bund erstreckt sich auf die ganze Schöpfung (vgl. Gen 9,9); der zum zweiten mit Abraham geschlossene auf ihn und seine Nachkommen (vgl. Gen 17); der zum dritten mit Mose am Sinai geschlossene auf das Volk Israel (vgl. Ex 19 und 24); schließlich erstreckt sich der „Neue Bund“ Jesu „in der Fülle der Zeiten“ auf alle Völker (vgl. Mt 26,28ff; Hebr 9,15ff).

Die Verantwortung des Menschen vor Gott für sich selbst, aber auch für seine Umwelt, ja die ganze Schöpfung kommt deutlich zum Ausdruck im Befehl Gottes an Noah, von allen Lebewesen ein Paar in die Arche mitzunehmen; hier klingt schon die paulinische Erbsündentheologie an, nach der durch die Ursünde des Menschen die Störung der Schöpfungsharmonie und damit Tod und Unordnung in die ursprünglich gut geschaffene Welt eingedrungen ist, vgl. Röm 5,12ff; 8,19-22.

Der biblische Sintflutbericht ist so bildgeschichtlich (vgl. auch den Regenbogen als Bundeszeichen Gottes; die Taube mit dem Ölzweig als Kundschafterin des Friedens und Vorbild des Heiligen Geistes) und theologisch von großer Bedeutung, will aber gleichzeitig auch richtig verstanden und nicht durch Einzelfragen „zerpflückt“, sondern im Gesamtkontext der Heilsgeschichte interpretiert und so fruchtbar werden. 

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