Sonntag, 24. Februar 2013

Das „Mehr“ bei Ignatius



Eine Spiritualität des Komparativs

Wenn man auf das Motto der Gesellschaft Jesu blickt, auf das „Alles zur größeren Ehre
Gottes“ (Omnia ad maiorem Dei gloriam), dann könnte man zum Schluss kommen: In der
ignatianischen Spiritualität geht es darum, alles dem Willen Gottes entsprechend zu gestalten.
Dies stimmt und stimmt doch nicht – denn das kleine Wörtchen „größer“ darf in seiner
Bedeutung nicht unterschätzt werden.

Ignatius geht es nicht einfach darum, ohne Fehl und Sünde zu handeln. Als großer Liebender
hat er den Wunsch, dem Geliebten immer näher zu kommen, immer mehr sein Leben dem
Willen Gottes entsprechend zu führen. Sprachlich macht Ignatius diesen Wunsch durch die
häufige Verwendung des Komparativs und des Wortes „mehr“ (lateinisch: magis) deutlich.
Über die Bedeutung dieser ignatianischen (und jesuitischen) Eigenart sagte die 34.
Generalversammlung des Ordens: „Unter den Kennzeichen des Jesuiten ist das ‚Mehr’ nicht
einfach eines unter anderen. Es durchdringt sie alle. Das gesamte Leben des Ignatius war eine
pilgernde Suche nach dem ‚Mehr’, der immer größeren Ehre Gottes, dem immer
umfassenderen Dienst am Nächsten, dem allgemeineren Wohl, den wirksameren
apostolischen Mitteln.“ Es ist dies eine Suche, die es auch heute (und nicht nur von Jesuiten)
zu unternehmen gilt. Wegweiser sind dabei vor allem die inneren Regungen, der geistliche
Trost und Misstrost, über die Gott uns seinen Willen erkennen lässt.

Jedoch muss man auch sehen, dass mit der ständigen Suche nach dem „Mehr“ eine Gefahr
eng verbunden ist: die der Überforderung und eines falschen Leistungsdenkens. Der Meinung
zu sein, es entspräche dem ignatianischen „Mehr“, immer mehr zu arbeiten, immer mehr
Stunden dem Dienst an Gott und den Menschen zu widmen, ohne die eigenen Grenzen zu
beachten – dies wäre ein falsches Verständnis des hl. Ignatius.
Denn worum es geht, das ist Qualität, nicht Quantität. Das Ziel ist eine immer intensivere
Gottesbeziehung, eine immer tiefere Liebe zu den Nächsten, eine Nachfolge Jesu, die uns
hilft, ihm, dem Menschen für Gott und die anderen, immer ähnlicher zu werden.

P. Thomas Neulinger SJ
Aus: G&G. Zeitschrift des Forums Glaube und Gerechtigkeit. Freundeskreis der Jesuiten Nr. 1/ 2001, 3.

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