Freitag, 1. April 2011

Echo Gottes

Man glaube nicht, wie manche Aufgeklärte, Maria sei als Geschöpf ein Hindernis für die Vereinigung mit dem Schöpfer: nicht Maria ist es mehr, die da lebt und uns das Leben bringt, sondern Jesus Christus, Gott allein, der in ihr lebt und in ihr wirkt. Ihre eigene Umwandlung in Gott übersteigt unendlich die Umgestaltung des hl. Paulus und anderer Heiliger, ja mehr, als der Himmel die Erde überragt. Maria ist nur für Gott erschaffen. Weit entfernt, eine Seele, die sich ihr anvertraut, für sich zu behalten, sucht sie diese vielmehr in Gott zu versenken und mit ihm um so vollkommener zu vereinigen, je mehr sie sich mit ihr vereinigt. Maria ist das wunderbare Echo Gottes, aus welchem nur „Gott“ zurückhallt, wenn man „Maria“ ruft, welches nur Gott verherrlicht, wenn man Maria mit den Worten der heiligen Elisabeth selig preist. Wenn jene so genannten Aufgeklärten, die der Satan selbst bei seinen Gebeten betört, Maria gefunden hätten und durch Maria Jesus und durch Jesus Gott, wären sie nicht so tief gefallen. Hat man erst einmal Maria gefunden, und durch Maria Jesus und durch Jesus Gott den Vater, so hat man alle Güter zugleich gewonnen, wie die Heiligen erklären. Mit Absicht sage ich „alle“ Güter, denn nichts ist ausgenommen, alle Gnade und Freundschaft bei Gott, alle Sicherheit gegen die Feinde Gottes, alle Wahrheit gegen die Lüge, alle Kraft, um die Schwierigkeiten des Heils leicht zu überwinden, alle Süßigkeiten und Freude in den Bitterkeiten des Lebens.

Damit soll nicht gesagt sein, dass jeder, der Maria durch wahre Andacht gefunden hat, frei sei von Kreuz und Leiden. Keineswegs, er ist von Leiden sogar oft mehr heimgesucht, als irgend ein anderer; denn Maria schenkt, als Mutter der Lebendigen, ihren Kindern Anteil am Baume des Lebens, welcher das Kreuz Jesu Christi ist. Aber indem sie ihnen gute Kreuze zubereitet, verschafft sie ihnen auch die Gnade, sie geduldig und sogar freudig zu tragen. Daher sind die Kreuze, welche sie ihnen gibt, mehr süß als bitter. Wenn sie vielleicht auch eine Zeit lang die Bitterkeit des Kelches fühlen, den man notwendig trinken muss, um ein Freund Gottes zu sein, so ermutigt der Trost und die Freude, welche Maria der Traurigkeit folgen lässt, diese Seelen, bereitwillig noch schwerere und drückendere Kreuze zu tragen.

Die Schwierigkeit unseres Geheimnisses besteht hauptsächlich darin, zu wissen, wie man die allerseligste Jungfrau tatsächlich findet, um mit ihr auch jede Gnade in überreichem Maße zu empfangen. Gott, als unumschränkter Herr, könnte uns zwar aus eigener Kraft alles mitteilen, was er uns jetzt nur durch Maria zukommen lässt. Oft genug tut er es auch selbst, was keineswegs geleugnet werden darf. Nach der Ordnung jedoch, welche die göttliche Weisheit festgesetzt hat, teilt er seine Gnaden gewöhnlich nur durch Maria mit, wie der hl. Thomas sagt. Man muss eben, um zu ihm emporzusteigen und sich mit ihm zu vereinigen, dasselbe Mittel gebrauchen, dessen er sich bediente, um zu uns herabzusteigen, Mensch zu werden und uns seine Gnade mitzuteilen; und dieses Mittel ist die allerseligste Jungfrau Maria.

 
Hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort (1673-1716)

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