Freitag, 18. März 2011

Betrachtung über

 den unermesslichen Wert der heiligen Messe
Gleichwie die göttliche Weisheit eine einzige Jungfrau erwählt hat, dass aus ihr der Erlöser der Welt geboren würde, so hat derselbe Erlöser das einzige Priestertum bereitet, um durch dieses die Schätze seiner Erlösung mittels des Messopfers und der Sakramente der Welt zu allen Zeiten auszuteilen. Dies ist der größte Teil der Freude der Muttergottes, dies ist die Lust der Seligen, dies ist eine sichere Hilfe der Lebendigen und der größte Trost der Verstorbenen. (…)

Um dies recht zu verstehen, musst du wissen, dass Maria wie auch alle anderen Heiligen des Himmels zweierlei Freuden haben, nämlich die wesentlichen und die zufälligen. Die wesentliche besteht in der Anschauung, der Erkenntnis und dem Besitz Gottes auf jener Stufe, die dem Heiligen bei seinem Eintritt in den Himmel zuteil geworden ist. In dieser Höhe der Glorie bleibt der Heilige ewig, und diese kann weder erhöht noch vermindert werden. Außerdem aber gibt es für sie noch die zufälligen Freuden, d.h. jene, die ihnen noch in besonderer Weise zuteil werden, wenn ihnen von Gott oder von den anderen Heiligen oder auch von den Menschen ein wohlgefälliger Dienst erwiesen wird. Wenn z.B. der Festtag eines Heiligen auf Erden begangen wird, so lässt sich wohl glauben, dass dieser Festtag auch im Himmel gehalten und diesem Heiligen von Gott und von den übrigen Bewohnern des Himmels eine besondere Ehre erwiesen wird. Dann wird ihm auch dasjenige, was ein jeder Mensch ihm zu Ehren gebetet oder getan hat, durch dessen Schutzengel zu seiner größeren Freude als ein vortreffliches Geschenk überreicht, gleichwie eine duftende Blume oder eine kostbare Gabe, wovon vieles in den Offenbarungen der hl. Gertrud zu lesen ist.

Das sind also die zufälligen Freuden, deren die Menschheit Christi sowie alle Enel und Heiligen fähig sind, wie zu ersehen ist aus den Worten Christi: „Ich sage euch, es wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut" (Luk 15,10). Diese Freude der lieben Engel und Heiligen im Himmel gehört nicht zur wesentlichen Seligkeit, sondern ist eine zufällige Freude, welche ihnen so oft erneuert wird, wie ein Sünder sich bekehrt, und ihnen wieder genommen wird, wenn ein bekehrter Sünder rückfällig wird.

Aus dieser Erklärung wirst du nun leicht entnehmen, wie die obigen Worte des seligen Alanus zu verstehen sind, wenn er sagt: Die heilige Messe ist der größte Teil der Freuden der Mutter Gottes, nämlich nicht die größte der wesentlichen, sondern der zufälligen Freuden. Denn obwohl man Maria auf vielfältige Weise ehren und ihr besondere Freude bereiten kann, so geht doch die durch die hl. Mese entstehende all ihren anderen zufälligen Freuden weit vor. Das will ich dir folgendermaßen erklären.

Wenn du ihr zu Ehren mit Andacht viele Rosenkränze, Offizien, Litaneien, Psalmen und andere Gebete betest und ihr dieselben zu ihrer größeren Ehre und Freude aufopferst, ein anderer vereinigt sich mit ihrem lieben Sohn, welcher auf dem Altar gegenwärtig ist – welcher von euch beiden bringt ihr eine angenehmere Gabe und macht ihr größere Freude? Ohne Zweifel nicht du, sondern der andere, welcher ihr zu Ehren den allerhöchsten Gottesdienst verrichtet, ihr ihren liebsten Sohn vor Augen stellt und auf ihren mütterlichen Schoß legt. Denn dieser ihr liebster Jesus mit seiner Freundlichkeit bereitet ihr in seiner erneuerten Gegenwart vieltausendmal größere Freude und Lust, als du mit all deinen Psalmen, Litaneien und Gebeten jemals kannst.

Dazu bereitest du ihr durch das Messehören auch noch ein andere, und zwar sehr angenehme Freude. Denn weil sie die Ehre Gottes und das Heil der Seelen über alles liebt und sucht, deswegen hat sie eine unaussprechliche Lust und Freude, wenn sie sieht, dass du durch das andächtige Messehören der heiligsten Dreifaltigkeit die höchste Ehre erweisest, sie auf die vortrefflichste Weise lobest, ehrest, anrufst und ihr die allerkostbarste Gabe darbringst. Ebenso, dass du ihren lieben Sohn im wahren Glauben anbetest, dich vor ihm mit gebeugtem Haupte demütigst, mit reuigem Herzen an deine Brust schlägst, mit großem Ernst um Verzeihung deiner Sünden bittest, sein bitteres Leiden dem himmlischen Vater vor Augen stellst, ihm sein rosenfarbenes Blut zu deiner Reinigung aufopferst und mit möglichster Andacht diesem göttlichen Opfer beiwohnst. Was kann ihr Lieberes, Süßeres, Angenehmeres widerfahren? (…)

Denn sooft eine hl. Messe gelesen wird, so oft wird ja Christus geistiger Weise von neuem geboren und so oft wird ihre mütterliche Würde erneuert.
 
Martin von Cochem (1634–1712) – Erklärung des heiligen Messopfers

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