Sonntag, 13. März 2011

„Geistlicher Kampf" von Lorenzo Scupoli



Sei überzeugt: Die wahre Vollkommenheit besteht in nichts anderem als in der Erkenntnis der Größe und Güte Gottes, wie auch in der Erkenntnis unserer eigenen Nichtigkeit und unserer Hinneigung zum Bösen; in der Liebe zu Gott und dem Hass gegen uns selbst; in bereitwilliger Unterwürfigkeit nicht allein Gott gegenüber, sondern auch gegen jedes Geschöpf; im gänzlichen Verzicht auf unseren eigenen Willen und der völligen Hingabe in den Willen Gottes, und zwar so, dass der alleinige Beweggrund all unseres Wollens und Handelns einzig Gottes Ehre, seine Verherrlichung und sein Wohlgefallen sein darf, weil er es so will und weil er es verdient, dass er von allen Geschöpfen geliebt werde.
Das ist das Gesetz der Liebe, das von Gottes Hand in das Herz seiner getreuen Diener geschrieben ist.
 
Das ist die Selbstverleugnung, die er von uns fordert.
 
Das ist sein „süßes Joch" und seine „leichte Bürde".
 
Das ist jener Gehorsam, zu welchem unser Erlöser und Meister uns durch sein Wort und Beispiel ruft.
 
Da du nun einmal nach einer so hohen Vollkommenheit strebst, musst du dir auch beständig Gewalt antun, um alle deine Begierden und Wünsche, mögen sie groß oder klein sein, hochherzig niederzuzwingen und vollkommen abzutöten, wie es auch unerlässlich ist, dass du dich zu diesem geistlichen Kampfe rüstest und vorbereitest, denn nur dem tapferen Kämpfer wird die Krone des Sieges zuteil werden.
 
Da wir in diesem Kampfe gegen uns selbst streiten und zu gleicher Zeit auch von uns selbst bekämpft werden, ist derselbe schwieriger als jeder andere, wie auch der errungene Sieg ruhmreicher und Gott wohlgefälliger ist als jeder andere Sieg. (…)
 
Christliche Seele! Nun kennst du das Wesen der christlichen Vollkommenheit und weißt, dass du zu ihrer Erlangung einen ununterbrochenen und hartnäckigen Kampf gegen dich beginnen musst; darum ist es auch notwendig, dass du dich mit brauchbaren Waffen versiehst, die in diesem geistlichen Kampfe zum Siege unentbehrlich sind.
 
Dieselben sind folgende:
  1. das Misstrauen gegen dich selbst
  2. das Vertrauen auf Gott
  3. die Tugendübung
  4. das Gebet
(…) Das erste, was deine geistigen Augen beim Erwachen beobachten sollen, ist, dass du dich auf einen geschlossenen Kampfplatz gestellt siehst, wo das Gesetz gilt, dass, wer nicht kämpft, für immer stirbt.
 
Stelle dir vor, du sähest vor dir als bewaffneten Feind die bösen Neigungen, die du zu bekämpfen dir vorgenommen hast, bereit, dich zu verwunden und zu töten; auf der rechten Seite aber deinen siegreichen Feldherrn Jesus Christus mit seiner heiligsten Mutter Maria, zugleich mit ihrem geliebten Bräutigam, dem heiligen Joseph, und vielen Schlachtreihen von Engeln und Heiligen, vor allem dem heiligen Erzengel Michael, und auf der linken Seite den höllischen Feind mit seinem Anhang, wie er die erwähnte Leidenschaft zum Nachgeben reizt.  (…)
 
Aus tiefstem Herzensgrunde flehe und rufe oft zum Herrn, zur allerseligsten Jungfrau Maria und zu allen Heiligen um Hilfe. Zweifellos wirst du den Sieg davontragen. Bist du auch schwach und mit sündhaften Gewohnheiten behaftet und sind auch deine Feinde stark und zahlreich, so sind der Hilfsmittel deines Schöpfers und Erlösers ungemein viele. Ja, über alle Maßen und unvergleichlich stärker ist dein Gott, der dich mehr zu retten wünscht, als dein Feind dich zu verderben verlangt. (…)
 
Es kommt darauf an, dass man die Schlachtordnung kennt, in der man kämpfen muss, um auf die rechte Weise zu streiten, nicht unüberlegt und energielos, wie es gar viele zu ihrem größten Nachteil tun.
 
Die Kampfordnung wider deine Feinde und ungeordneten Neigungen besteht darin, dass du dein Inneres durchforschst und sorgfältig prüfst, von welchen Gedanken und Gefühlen es umdrängt und von welcher Leidenschaft es am meisten eingenommen und tyrannisiert wird. Und dagegen musst du dann vor allem die Waffen (siehe oben!) ergreifen und den Kampf beginnen. 

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