Aufmerksamkeit

"Aufmerksamkeit will erlernt sein.
Sie sich zu eigen zu machen bedarf Zeiten des Übens und der Schulung. Manchmal ist es mühsam: Immer wieder geduldig alles loslassen, was einstürmt an Gedanken, Bildern und Eindrücken, behutsam und entschlossen zugleich die innere Kraft sammeln, das Herz ausrichten auf das, was in der Stille hinter allem aufscheint und lockt.

Es ist ein Warten, ein zuversichtliches Harren, es ist der beständige Wille sich hinzuhalten, sich dem auszusetzen, was da auf mich zukommt und ruft. Aufmerksamkeit lässt mich suchen indem ich verlange zum Kern der Dinge zu kommen, in die Wahrheit...
Aufmerksamkeit führt mich zum Hören auf das, was außerhalb meiner selbst, außerhalb alles irdischen Daseins existiert und mich anspricht."

"Eine der schwierigsten Aufgaben im geistlichen Leben ist das Hören. Es erfordert eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem Geheimnis dessen, was mich anzieht und lockt, das mich persönlich ruft und anspricht. Eine Offenheit, die dem menschlichen Bestreben nach Grenze, Sicherheit, Berechenbarkeit und  Kontrolle über sich selbst und die Lebensumstände tief entgegen drängt.

Wie groß ist hier oft der legale, verständliche und doch trotzige, manchmal fast verzweifelte Versuch sich abzusichern gegen das, was da anbrandet in den selten gewordenen Momenten der Stille. Was die Stützpfeiler des religiösen - oder des sorgsam aufgebauten gesellschaftlichen - Fundamentes zu unterminieren scheint.

Schwer zu sagen, wann die notwendige Konsolidierung aufhört und eine enge, starre Einkerkerung beginnt.
Gerade der ausschließlich dem Buchstaben treue Glaube bewirkt ähnlich wie das totale (totalitäre?) Beharren auf völliger Unabhängigkeit eine fatale religiöse Blindheit. Beide lassen das Herz erbeben durch den Genuss einer sich immerwährend selbstbestätigenden Ordnung; beruhigen scheinbar durch ein Denksystem, in der die alles Denken und Vorstellen übersteigende Fülle des uns umgebenden Geheimnisses nie auch nur ansatzweise Platz findet."