Dienstag, 12. Juni 2012

Römerbrief - Einleitung

Der Römerbrief ist das längste Schreiben des Paulus;
er behandelt weiterhin allgemeinere Themen grundsätzlicher Art (z.B. ob es überhaupt notwendig ist, Christ zu werden, da die Offenbarung Gottes doch mit dem Alten Testament schon vorliegt). Daher hat man ihn als Lehrbrief oder auch als Testament des Paulus bezeichnet. Zusammen mit dem Galaterbrief (vgl. auch Phil 3) stellt der Römerbrief am ausführlichsten die paulinische Rechtfertigungslehre dar.

Der Brief könnte im Jahr 56 n.Chr. in Korinth entstanden sein. Die Diakonin Phoibe könnte den Brief überbracht haben (Röm 16,1 f ist ein Empfehlungsschreiben für diese Frau). Laut Röm 15,28/29 soll die römische Gemeinde sich dafür einsetzen, dass die paulinische Kollekte in Jerusalem von den dortigen Christen angenommen wird. Denn daran hängt für Paulus die Legitimität seiner heidenchristlichen Gemeinden. Ohne sichtbare Verbindung mit Gottes Volk "schweben" sie gewissermaßen "in der Luft".

Der Brief vermeidet in den Kapiteln 1-15 den Ausdruck "Gemeinde"; offenbar gab es in Rom nur einen losen Verband von Christen. Die ausführliche Bezugnahme auf Juden und Heiden im theologischen Teil des Briefes (Kapitel 1-11) macht es wahrscheinlich, dass die Adressaten Juden- und Heidenchristen sind. Daraus ergibt sich das theologische Grundthema: Wie kann Gott Heidenchristen als gleichberechtigte Glieder des Gottesvolkes zulassen, ohne dass er die Treue zu seinem Volk aufgibt?

Als aktuelles Problem schildert der Römerbrief das gespannte Verhältnis zwischen Starken und Schwachen. Unter den "Schwachen" sind im Rom offenbar Judenchristen zu verstehen, die Wein und Fleisch ablehnen und bestimmte Tage einhalten. Die Starken dagegen sind aufgeklärte Christen, die sich an asketischen Riten nicht beteiligen. Paulus möchte um der Rolle Jesu Christi willen das gegenseitige Übereinander-Richten unterbinden. Das ist offenbar auch der konkrete Sitz im Leben der Rechtfertigungslehre. Denn wenn Gott den Menschen nicht verurteilt und nicht richtet, dann hat auch kein Mensch das Recht, über einen anderen zu urteilen. Wenn der Glaubende durch die Rechtfertigung sogar in die Lebensgemeinschaft mit Gott aufgenommen wurde, kann ihm kein Mensch die Lebensgemeinschaft verweigern.

Der Römerbrief klärt tatsächlich einerseits ein dogmatisches Problem, nämlich ob es notwendig ist, Christ zu werden, um überhaupt zu Gott zu gelangen. Die Antwort ist: Ja, denn nur Jesus Christus hat uns von Gottes Zorn erlöst. Nur in der Kraft des Heiligen Geistes, den es vor Jesus bei den Menschen nicht gab, kann Gottes Wille erfüllt werden. Davon handelt Röm 1-8.
Das andere aber ist das Problem des Volkes Gottes, ein "heilsgeschichtliches" und "kirchliches" Problem. Gottes "erste Liebe" ist und bleibt Israel, und er wird auch alle Verheißungen gegenüber seinem Volk erfüllen. Dass es jetzt auch Heidenchristen gibt, ist nur ein Schritt auf Gottes Weg mit den Menschen. Aber es ist nur der vorletzte. Der letzte Schritt wird darin bestehen, dass Gott auch sein Volk wieder annimmt. Er wird ihm den Erlöser auf dem Berg Sion gegenübertreten lassen. Dann wird er sich aller erbarmt haben.

Quelle


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