Mittwoch, 27. Juni 2012

Vom Schweigen und Nicht-Schweigen 2

 "Auf der Prioritätenliste der wichtigsten Existenzialien nahm das Schweigen bei den Wüstenvätern und-müttern einen der ersten Plätze ein.

Zumindest die Apophthegmata patrum bewerten, wenn man nach der Häufigkeit der erwähnten Stellen in den Rhemata, den Weisheitssprüchen geht, nur die barmherzige Zuwendung zum Nächsten höher.
Das lebendige Beispiel eines Abbas oder einer Amma zählte dabei stärker, als schriftlich fixierte Regeln oder mahnende Predigten, wie das viele Beispiele zeigen.

So ist eines Tages Altvater Johannes Kolobos (um 450) auf dem Weg zur Kirche und hört wie einige Brüder sich streiten. kurz entschlossen dreht er um und geht zu seinem  Kellion, seiner Einsiedlerklause zurück. Zum Erstaunen aller aber betritt er seine Klause nicht sofort, sondern umrundet das Kellion in Ruhe dreimal. Dann erst begibt er sich hinein. Einige Brüder beobachten das seltsame Verhalten des Altvaters. Und sie fragten ihn, warum er das tue. Abbas Johannes antwortet: "Meine Ohren waren von den Streitereien voll und ich ging deshalb herum, um sie zu reinigen, damit ich in Ruhe in mein Kellion eintreten konnte"

Es ist eine seltsame Sache, dieses Schweigen.
Sich der überflüssigen Worte zu enthalten, des Geschwätzes und Geplauders, diesem Wortgeklingel mit all seinen Phrasen und dem unerträglichen Schwulst an geistlosem Small-talk, sich dem verweigern fällt nicht besonders schwer.

Ebenso wäre es leicht, auf die verbalen Nadelstiche und Fischmesserduelle in Familie und Büro und am Bäckertresen zu verzichten und sie durch Schweigen zu ersetzen - wenn, ja, wenn damit schon empfangen würde, was durch das Schweigen geschenkt werden will. Es reiche nicht, einfach nur den Mund zu halten, soll Theresa von Avila ihren Schwestern im Karmel gesagt haben.

Nur einfach Schweigen ist Schweigen, mehr nicht. Nur einfach Schweigen ist sinnlos, wenn nicht im Schweigen durch das Schweigen der Wurzelgrund aller Worte neu sichtbar, wahrnehmbar werden könnte. Im Schweigen lebe ich gegen die Wortverdrehungen der Welt, stemme mich gegen die subtile Giftmischerei, die das reine Wort als Transportmittel für ihre marktschreierischen Zwecke missbraucht.

Ja, es reicht nicht, nur einfach den Mund zu halten. Alles muss zum Schweigen kommen, alles in mir, in meinem Denken, in meinem Herzen, alles muss still werden, muss gehen und dem Schweigen Raum geben. Denn wer schweigt will hören."



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