Sonntag, 4. März 2012

Klara von Assisi, die neue Frau


Einleitung 

"Klara und Franziskus: zwei untrennbare Legenden"
I. Von historischer Bedeutung ist der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Protomonasterium zu Assisi am 12. März 1982 wegen seiner improvisierten Ansprache. Aufgrund einer persönlichen Intuition machte er einige Äußerungen, die bisher nie von einem Papst über Franziskus und Klara, sowie ihr Verhältnis zueinander gemacht worden waren.
"... Es ist wirklich schwierig", sagte der Papst, "die beiden Namen Franziskus und Klara voneinander zu trennen. Es sind zwei Phänomene. Es sind zwei Legenden ... Wenn ihr den Jahrestag der heiligen Klara begeht, müßt ihr dies sehr feierlich tun. Es ist schwierig, ihre Namen voneinander zu trennen. Es gibt zwischen ihnen etwas Tiefes, das nur mit Hilfe der Kriterien franziskanischer, christlicher, evangelischer Spiritualität verstanden werden kann, nicht aber mit menschlichen Kriterien. Der Doppelname Franziskus - Klara ist eine Wirklichkeit, die nur durch christliche, geistliche, himmlische Kategorien verstanden werden kann; gleichzeitig aber ist es eine Realität dieser Erde, dieser Stadt, dieser Kirche.
Alles nahm hier Gestalt an. Es handelt sich nicht um reinen Geist; es waren nicht reine Geister. Es waren Personen, Körper und Geist. Aber in der lebendigen Tradition der Kirche, des gesamten Christentums, der Menschheit, bleibt nicht nur diese Legende. Es bleibt die Art und Weise, in der Franziskus seine Schwester sah, die Art und Weise, in der er die Ehe mit Christus einging; er sah sich selbst als ihr Ebenbild, als Bild der Braut Christi, der mystischen Braut, nach dem er seine Heiligkeit formte...
Er sah sich selbst als einen Bruder, einen Armen nach dem Bild der Heiligkeit dieser echten Braut Christi, in der er das Bild der vollkommenen Braut des Heiligen Geistes, der heiligen Maria, fand ...
Dies ist der Ort, an dem vor acht Jahrhunderten viele Pilger zusammenkamen, um die göttliche Legende Klaras an der Seite des Franziskus zu betrachten, eine Legende, die großen Einfluß auf das Leben der Kirche und die Geschichte der christlichen Spiritualität ausübte.
In unserer Zeit ist es notwendig, die Entdeckung der heiligen Klara zu erneuern, weil dies für das Leben der Kirche bedeutsam ist; die Wiederentdeckung dieses Charismas und dieser Berufung ist notwendig. Die Wiederentdeckung der göttlichen Legende des Franziskus und der Klara ist notwendig." (2)

2. Ausgehend von diesem Wort - einzigartig in der Franziskanischen Geschichte - kann man die fundamentale Einheit und Gegenseitigkeit des evangelischen Lebens verstehen, die im Leben von Franz und Klara Gestalt annahm. Sie folgten im Geist dem Herrn und seiner Mutter nach, in der Kirche und für die Kirche, im Dienst an der Menschheit und am gesamten Kosmos: zu Füßen aller, wie es sich für Minderbrüder, arme Schwestern und büßende Gläubige geziemt. Ein solches einzigartiges evangelisches Leben, das sich in vielen Formen konkretisiert gemäß den Personen, Zeiten und Orten, erfordert, daß man nicht trennt, was der Herr selber verbunden hat.
In der Tat sah der Gekreuzigte, der mit Franziskus von der berühmten syrisch-orientalischen Ikone von San Damiano her sprach, die zukünftigen Klarissen voraus, wie das Testament Klaras mitteilt. Sie sollten an der Seite von Franziskus das Haus der Kirche instandsetzen und wiederherstellen, in der Nachfolge des armen und gekreuzigten Christus, bewegt vom Heiligen Geist, wie Maria. Die Identifikation mit der Person Christi und Marias wird so stark gefordert, daß alle sich persönlich aufgerufen fühlen, mit allen "büßenden Gläubigen" zusammen Beispiel (Franziskus) und Spiegel (Klara) Christi und Marias in der Kirche und in der Welt zu sein; Christus und Maria selbst zu vergegenwärtigen unter den Menschen und Geschöpfen, die sich geschwisterlich miteinander versöhnt haben. Franziskus und Klara geben so das rechte Maß ihres evangelischen Lebens der Einheit mit Gott, mit der Menschheit, mit dem Universum, wobei sie gleichsam in kosmischer Weise den Mensch gewordenen Sohn Gottes darstellen, den Erstgeborenen von vielen Brüdern (vgl. Röm 8,29; Erm. V, I).
Papst Johannes Paul II. erinnerte beim Abschluß des Gebetstages in Assisi am 27. Oktober 1986 an die "ständige Lehre von Franziskus und Klara" an alle Frauen und Männer unserer Zeit, als Mann des Friedens und Frau des Gebetes in universalem Friedensbemühen in Gerechtigkeit und Frieden. (3)

3. Sich als eine einzige Familie im Himmel und auf Erden um Christus und Maria zu fühlen, wobei man universale Geschwisterlichkeit lebt, wie es sich für Dienerinnen und Diener ziemt, die jeder Kreatur unterworfen sind: dies ist der wesentliche Ausdruck des evangelischen und kirchlichen Lebens, das nicht nur von Franziskus, dem kleinen Armen (poverello) gelebt wurde, sondern auch von Klara, der armen kleinen Pflanze (la sua pianticella poverella), und von der ganzen universalen Familie, als Ankündigung und Bezeugung der Frohen Botschaft der Befreiung der Armen und Gedemütigten und unserer Schwester und Mutter Erde.
Wir möchten in unserer Zeit die Botschaft von Franz und Klara wieder verkündigen. Doch wir alle, Minderbrüder, Arme Schwestern und büßende Gläubige unserer vielgestaltigen Fraternität, spüren, daß wir uns aufrichtig als unnütze Knechte bekennen müssen, die noch zu wenig in Geist und Wahrheit das evangelische Ideal gelebt haben. Wir bekennen dies im Geist beständiger Umkehr, zu der wir von Franziskus aufgerufen sind, der möchte, daß wir "unermüdlich im Vorsatz einer heiligen Erneuerung" (1 Cel 103) sind, und bereit, von neuem zu beginnen, neu anzufangen.
Nur mit diesem aufrichtigen Bekenntnis und der Bereitschaft, in erster Linie selbst entschiedener die Wege vertraulichen Umgangs mit Gott und des Dienstes an den Schwestern und Brüdern zu gehen, haben wir den Mut, uns an alle zu wenden und von neuem von Klara, der kleinen Pflanze des Franziskus, Zeugnis abzulegen.

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