Dienstag, 13. März 2012
Klara von Assisi, die neue Frau
Das Testament
25. Es ist wesentlich, um die christliche Persönlichkeit Klaras zu entdecken. In dieser so persönlichen und intimen Schrift erzählt Klara ihre Berufung und die ihrer Schwestern: "... Als der Heilige bis dahin weder Brüder noch Gefährten hatte, als er fast sofort nach seiner Bekehrung die Kirche in San Damiano aufbaute, wo er, von göttlicher Tröstung völlig erfüllt, angetrieben wurde, in großer Freude durch Erleuchtung des Heiligen Geistes die Welt ganz und gar zu verlassen, da weissagte er über uns. Dies hat der Herr später erfüllt. Er stieg nämlich damals auf die Mauer der genannten Kirche und rief mit lauter Stimme in französischer Sprache einigen dort in der Nähe weilenden Armen zu: Kommt und helft mir beim Bau des Klosters San Damiano; denn fürder werden dort Frauen wohnen, durch deren ruhmvolles Leben und heiligen Wandel unser himmlischer Vater in seiner ganzen heiligen Kirche verherrlicht werden wird ... Und nicht nur über uns hat unser hochseliger Vater Franziskus solches geweissagt, nämlich unsere Berufung und Erwählung, sondern auch über die anderen, welche kommen werden in der heiligen Berufung, zu welcher uns der Herr berufen hat" (Testament Klara, 9-17).
Sie fährt fort: "Der Herr selbst nämlich hat uns nicht allein den anderen Menschen als ein Vorbild zum Beispiel und Spiegel aufgestellt, sondern auch unseren Schwestern; denn sie hat der Herr zu dem gleichen Leben berufen, zu dem er uns berief, auf daß sie gleichfalls denen, die in der Welt wandeln, Spiegel und Beispiel seien. Da uns also der Herr zu so Großem berufen hat, daß diejenigen in uns sich spiegeln können, die anderen zum Beispiel und Spiegel sind, so sind wir gehalten, den Herrn besonders zu preisen und zu loben und uns überdies im Herrn zu stärken, Gutes zu tun. Deshalb werden wir, wenn wir nach der genannten Weise leben, den anderen ein edles Beispiel hinterlassen" (Testament Klara, 19-23).
Alle Schwestern also sind berufen, in eigener Person (nos) einander ein Vorbild zum Beispiel und Spiegel zu sein, in der Kirche und in der Welt. Beispiel und Spiegel wessen? Des Sohnes Gottes, der für uns der Weg wurde, wie unser überaus seliger Vater Franziskus zeigte und lehrte. Die tatsächliche Verwirklichung dieser Berufung erfolgte bald nach der Bekehrung des Franziskus, als Klara und ihre Schwestern ihm freiwillig Gehorsam versprachen. Dann gingen sie nach San Damiano, wo "der Herr unsere Zahl in kurzer Zeit durch seine Barmherzigkeil und Gnade vermehrt hat, damit erfüllt werde, was der Herr durch seinen Heiligen vorhersagen ließ." Es war der Herr selbst, der folglich diese Gegenwart der Frauen in San Damiano wollte.
26. Später schrieb Franziskus die Lebensform nieder und betonte am meisten, daß sie in der Armut verharren sollten (Testament Klara, 39). Um die Treue zur Armut zu sichern, erbat Klara das "Privileg der Armut" von Innozenz III. und seinen Nachfolgern. Um den Sinn dieser Armut zu verdeutlichen, bezieht sich Klara auf die Jungfrau Maria, indem sie sagt, der Vater habe diese kleine Herde in der Kirche durch Franziskus erweckt, "welcher der Armut und Demut seines geliebten Sohnes und der glorreichen Jungfrau, seiner Mutter, nachgefolgt ist" (Testament Klara, 46).
Der Sinn des Weges Klaras und der Schwestern wird noch - immer im Testament - mit feierlichen Ausdrücken formuliert: "Ich mahne aber inständig in unserem Herrn Jesus Christus alle meine Schwestern, die gegenwärtigen und die kommenden, sich immer zu bemühen, den Weg heiliger Einfalt, Demut und Armut nachzugehen, wie auch einen ehrbaren und heiligen Wandel zu führen; so nämlich wurden wir seit Beginn unserer Bekehrung von Christus und unserem überaus seligen Vater Franziskus belehrt" (Testament Klara, 46).
Klara besteht auf dem Gehalt der Liebe dieser heiligen Bekehrung: "Und liebet einander mit der Liebe Christi und zeiget die Liebe, die ihr im Herzen habt, auch nach außen durch die Werke, damit die Schwestern, durch dieses Beispiel aufgefordert, stets in der Liebe Gottes und in der gegenseitigen Liebe wachsen" (Testament Klara, 59 f).
Dieses Beispiel der Liebe verpflichtet gleicherweise die Schwestern und die Äbtissin selbst. Sie muß sogar den Schwestern vorangehen, auf daß sie, "von ihrem Beispiel entzündet, ihr nicht so sehr wegen des Amtes, als vielmehr aus Liebe gehorchen. Sie soll auch fürsorglich und rücksichtsvoll ihren Schwestern gegenüber sein, wie eine gute Mutter gegen ihre Töchter; besonders aber soll sie sich bemühen, sie nach dem Bedürfnis einer jeden mit den Gaben zu versorgen, die der Herr geben wird. Sie soll auch so gütig und umgänglich sein, daß sie ihr sorglos ihre Nöte offenbaren und zu jeder Stunde vertrauensvoll sich an sie wenden können, wie es ihnen förderlich scheint, sowohl für sich persönlich als auch für ihre Mitschwestern. Die Schwestern aber, die Untergebene sind, sollen eingedenk sein, daß sie um des Herrn willen dem eigenen Willen entsagt haben. Daher will ich, daß sie ihrer Mutter gehorchen, wie sie mit freiem Willen dem Herrn versprochen haben. Die Mutter soll beim Anblick der gegenseitigen Liebe, Demut und Eintracht alle Last, die sie von Amts wegen trägt, leichter tragen. Und das Lästige und Bittere möge ihr um deren heiligen Wandels willen in Süßigkeit verwandelt werden" (Testament Klara,67- 79).
Der Gebrauch der Worte "bitter" und "Süßigkeit" erinnert an die Erfahrung des Franziskus unter den Aussätzigen. Zu Beginn bitter, wandelte es sich ihm dann in Süßigkeit der Seele und des Leibes. Es ist sicher einzigartig und bedeutsam, daß an diese Erfahrung mystischer Süße des Franziskus von Klara in einem so verschiedenen Zusammenhang erinnert wird. Tatsächlich greift sie nur hier auf diese Ausdrücke zurück.
Zum Schluß faßt Klara die wiederkehrende Inspiration ihres Lebens zusammen: Der Herr, seine Mutter, Franziskus, die Kirche; sie führt sie an als Motiv der Beharrlichkeit: "Wir sollen uns also hüten, wenn wir schon den Weg des Herrn betreten haben, daß wir keineswegs durch unsere Schuld und Unwissenheit zu irgendeiner Zeit davon abweichen, damit wir nicht einem so großen Herrn, seiner jungfräulichen Mutter, unserem seligen Vater Franziskus, der triumphierenden und auch der streitenden Kirche Schande machen" (Testament Klara, 74 f).
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