Samstag, 10. März 2012

Klara von Assisi, die neue Frau

Die "starke Frau" (mulier fortis)

21. In kurzer Form können wir noch auf einige Aspekte der Persönlichkeit Klaras hinweisen, die gewöhnlich weniger erstaunen, wenn sie sich bei einem Mann finden, dagegen bei einer Frau aufhorchen lassen.
Vor allem die entschiedene Ablehnung jedes Heiratsantrages gegenüber der Familie und der Verwandtschaft. Die Flucht nach Santa Maria degli Angeli mit achtzehn Jahren, mit nachfolgendem Bruch der familiären und sozialen Beziehungen. Der Verzicht auf ihren Adelsstand zugunsten einer Lebensweise als "Magd". Die Annahme der Schwester Katharina und der nachfolgende Widerstand gegenüber der männlichen Übermacht der Verwandtschaft. Die Leiden, physische und seelische Drangsale, die sie auf sich nehmen mußte, um bis zum Ende (usque in finem) ihrer Berufung treu zu bleiben, die der Herr ihr durch Franziskus gegeben hatte. Ihre beständige Weigerung, sich wie eine Äbtissin aufzuführen; statt als Herrin aufzutreten handelte sie als Magd, als Dienerin der Schwestern.
Dies ging so weit, daß sie die Dienste auf sich nahm, die größere Abtötung verlangten. Das Privileg der Armut, einzig in seiner Art und in seiner Zeit, verteidigte sie gegen alle, einschließlich Päpsten und Kardinälen; oft verteidigte sie es allein, lediglich Agnes von Prag, Schwester Agnes und Bruder Elias unterstützten sie darin. Der passive und ruhige Widerstand gegen die Sarazenen und andere Feinde der Stadt Assisi.
Der tapfere Kampf, den Klara führte, um die eigene Lebensform oder Regel zu verteidigen, zeigt Mut, Intelligenz und Weisheit. Sie kämpfte in einem Geist des Friedens, ohne jeglichen Fanatismus, der Reformern oder den Armutsbewegungen zu eigen war, die zu ihrer Zeit so verbreitet waren. Sie führte das Leben der Gemeinschaft (fraternita) gegen jede feudale Praxis klassischen Typs, sie führte die absolute Schwesterlichkeit (sororitas) der Armen Schwestern ein: Einheit, die aus der gegenseitigen schwesterlichen, ja mütterlichen Liebe erwächst, und aus der Mitverantwortlichkeit und Teilhabe aller, auch der letzten Schwester.
Harte fundamentalistische und spiritualistische Diskussionen zwischen den Brüdern selbst bedrohen die Treue zum einzigen evangelisch-franziskanischen Leben, wobei sie die grundlegende Einheit der franziskanischen Familie der Minderbrüder und der Armen Schwestern in Frage stellen.
Klara begegnet der Situation - allein, nach dem Tod des Franziskus - als "Mutter" des Ordens, der von ihrem "seligen, ja überaus seligen Vater" gegründet worden war.
Die völlige Treue zur Person Christi und zur armen Maria, von Klara tatsächlich als das Eine Notwendige (unum necessarium) betrachtet, wurde von ihr in voller Ausgeglichenheit gelebt. Gegenüber den sekundären Dingen, die der größeren bräutlichen Liebe dienen, besaß sie sichere Unterscheidungskraft: konkrete Normen betreffs der Klausur, des Schweigens, des Gebetes, der Armutspraktiken. Die Einheit zeigt sich hier in einer gesunden und heiligen Pluriformität (vgl. 2 Celano, 192).

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