Es ist der Geist, der lebendig macht
50. Es ist völlig unrealistisch zu denken, das, was Klara und ihre Schwestern uns als Erbe hinterlassen haben, heute genau wörtlich vorlegen zu können. Ein Buchstabe, eine Norm, verständlich und gut in einem bestimmten historischen Umfeld, müssen immer zurückgeführt werden auf jenen Geist des Herrn, der sie eingab, um zu verstehen, wie sie heute übermittelbar sind. Der Gedanke von Klara und Franziskus ist in dieser Hinsicht unmißverständlich: "Gott ist Geist; der Geist ist es, der lebendig macht" (Ermahnungen I, 5-6); "Der Buchstabe tötet; der Geist aber macht lebendig" (Ermahnungen VII); "Meine Worte sind Geist und Leben" (1. Brief an die Gläubigen, II, 21); "Auf göttliche Eingebung hin - d.h. inspiriert durch den Geist - habt ihr euch zu Töchtern und Dienerinnen des höchsten und größten Königs gemacht ..." (Regel Klara, VI, 3).
In der Einheit der Franziskanischen Familie
51. Die grundsätzliche Einheit der Franziskanischen Familie sollte wesentliches Kriterium der interfranziskanischen Ausbildung und Zusammenarbeit sein. Franziskus und seine Brüder fanden sich im Leben Klaras und ihrer Schwestern wieder, da sie alle sich entschieden hatten, gemäß dem Evangelium zu leben, dem Herrn und seiner Mutter zu folgen, das dreifaltige Leben zu teilen als Kinder des Vaters, Bräute des Geistes, Brüder, Schwestern und Mütter des Herrn. Dieses trinitarische Leben, von dem der Brief an die Gläubigen spricht, findet sich zugleich in voller Teilung des Weges der Vollkommenheit mit allen "büßenden" Laien, die Franziskus folgen wollen. Auf dieses einzige evangelische Leben, von allen gelebt, gründet sich also die Einheit der vielgestaltigen Franziskanischen Familie, die sich in einer wunderbaren Vielfalt von Strömungen und Verzweigungen entwickelt hat. In diesem Zusammenhang wird besondere und konkrete Aufmerksamkeit der Wiedereinführung einer intensiven gegenseitigen Beziehung zwischen Minderbrüdern und Klarissen gewidmet. Von deren Seite aus wird es gut sein, nachzuforschen, inwiefern Hilfe in der geistlichen Ausbildung von seiten der Minderbrüder möglich ist, in den Föderationen, in gemeinsamen Noviziaten, in Versammlungen usw. ...
Dies wäre keine paternalistische Vormundschaft von seiten der Brüder, sondern ein gegenseitiger Dienst in wahrer Minderheit und Brüderlichkeit, der die einen wie die anderen bereichert. Von seiten der Brüder müßte das Bemühen um die Förderung klarissanischer Berufungen ernst, überzeugt und ausdrücklich sein, sei es in spezifischem Sinn, sei es im Sinn von Angeboten zum unaufhörlichen Prozeß der Gleichberechtigung der Frau, im Zusammenhang mit dem Zeugnis Klaras, das sie zu ihrer Zeit zu diesem Problem gab, das heute so dringend ist. Und warum nicht den Informationsfluß und auch die Ausbildung von Brüdern durch Schwestern intensivieren, wie es Franziskus selbst tat seit Beginn seiner evangelischen Berufung? (vgl. Bonaventura, Leg.Mag. XII, 2).
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