Zärtlichkeit der "Frau" Klara
22. Die Bezeichnung "Frau Klara" (madonna Chiara) stammt aus dem Heiligsprechungsprozeß Klaras. Vor allem bei dieser Gelegenheit nannten sie die Schwestern gerne so.
Die starke und sanfte Fraulichkeit Klaras zeigt sich bereits im Vaterhaus, wie wir bereits oben sahen. Hier wächst und bewegt sie sich in einer beispiellosen Atmosphäre, die von Mutter Ortolana geschaffen wurde. Liebenswürdig, höflich, gastfreundlich, fromm, gläubig, hingegeben an die häuslichen Arbeiten, die in einem Haus wie dem ihren normal sind. großzügig gegenüber den Armen, lebt sie auch selbst als eine arme Büßerin Christi in der Welt. Reich an edlen Idealen und offen für mutige Taten, um der Liebe Christi willen, ist sie fähig zu tapferen Taten, wie dem Vorhaben nach Marokko zu reisen, ergriffen von der Sehnsucht nach dem Martyrium (sie hatte Kunde von den ersten franziskanischen Märtyrern erhalten), wie auch zu demütigen Taten im Dienst an den Armen.
Klara verleiht den zwischenmenschlichen Beziehungen mit den Schwestern vorrangige Bedeutung innerhalb der Gemeinschaft (fraternita). Sie ist der Ansicht, daß dies Beispiel und Spiegel in der Kirche und in der gesamten Welt sein sollte für die "mütterliche" Liebe, mit der man sich liebt.
Die Fraulichkeit/Mütterlichkeit Klaras erscheint auch in ihrem Geist des Dienens, in dem sie demütig und verborgen in der Nachahmung Jesu handelt, der die Füße der Seinen wusch, und außerdem in vielen Ausdrücken und Aufmerksamkeiten, die sogar in der Regel des Franziskus fehlen.
Solche Normen betreffen die leiblichen und geistlichen Bedürfnisse der einzelnen Schwestern und der Gemeinschaft (wie die Vorschrift, daß die Schwestern umsichtig mit Kleidung versorgt werden nach der körperlichen Beschaffenheit der Personen; daß man sich besonders um die jungen, kranken und schwachen - auch im geistigen, nicht nur im physischen Sinn - Schwestern kümmere). Andere wollen das Maximum an Mitverantwortlichkeit (mit Ausdrücken wie "wir", "unser", "alle" - omnes -, "zum Nutzen aller", "Einigkeit der gegenseitigen Liebe"). Andere wiederum bekräftigen die mütterliche Sorge der Äbtissin-Mutter-Magd, Schwester unter Schwestern, der man aus Liebe und nicht aus Furcht gehorcht, die nicht darauf aus ist, Privilegien zu haben, noch sich einer persönlichen Freundschaft hingibt. Sie sei auch die letzte Zuflucht für die Bedrängten. Schweigen, Buße, Klausur, Gebet, Arbeit sollen beachtet werden, aber immer mit Mäßigkeit, wie es für die einzelnen Personen notwendig ist.
23. Diese Veranlagung wird schließlich durch die Kapitel VI bis X der endgültigen Regel bestätigt für eine Zeit, in der Klara Tochter und Mutter war . Hier begegnen wir allen Schlüsselthemen, die wichtig sind, um das Herz Klaras und ihre evangelisch-franziskanische Lebensweise (Projekt) zu verstehen: Das Leben der Töchter und Dienerinnen des Vaters, dem Heiligen Geist vermählt, die ein Leben in der Nachfolge Christi und seiner heiligen Mutter erwählt haben und darin bis zum Ende verharren wollen, ohne irgendein Eigentum (Kapitel VI). Der Geist des Gebetes, dem alles andere dienen muß (Kapitel VII). Das Leben in Armut, gemäß dem Beispiel des Herrn und Marias, seiner Mutter, und in gegenseitiger und mütterlicher Liebe (Kapitel VIII). Gegenseitiges Verzeihen, wahre Voraussetzung des Gebetes (Kapitel IX). Ihr Verlangen muß vor allem dahin gehen, den Geist des Herrn zu besitzen in der Einigkeit der gegenseitigen Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist (Kapitel X), bis zur höchsten Liebe, der zu den Feinden.
Dies sind die Dimensionen einer Zärtlichkeit, denen man in den Briefen an Agnes von Prag wieder begegnet, die die Genialität Klaras auch in ihrem eigenen Gefühlsvermögen (Affektivität) bestätigen.
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